Enduros ohne Eier? Das Urteil so mancher Hardenduristen über Scrambler ist ein harsches. Lange dem Vergessen anheimgefallen, haben sie sich zurückgekämpft in den Fokus des Mainstreams, immer mehr Hersteller bauen sie. Uns freut das, denn unterm Hintern haben die Dinger ein breites Gefühlsspektrum zu bieten. In den Vogesen lassen wir uns von Ducatis Desert Sled, Triumphs Street Scrambler und Yamahas SCR 950 überraschen
Das Wüste in uns
Motorräder für alle fälle
Das Spektrum dieses Konzepts fasziniert mich. Es gibt mir das gute Gefühl, auf zwei Rädern allen Herausforderungen gewachsen zu sein. Auch, wenn ich im echten, fordernden Gelände eher die Hosen voll hab: Ich mag die Aura des Groben, Unverwüstlichen. Diese Motorräder sind bereit für den Alltag, doch sie sind auch bereit für das Wüste in dir, das Ungezähmte, Abenteuerlustige, Unangepasste. Herausforderungen? Wo bitte schön liegen die denn, wenn alle Wege voll asphaltiert sind und das Navi dir den Weg weist? Im Elsass beispielsweise. Mit seiner Kombi aus geteerten Bandwürmern und legal befahrbaren, unbefestigten Waldstraßen ist es Scrambler-Terrain par excellence. Hier dürfen sich Mensch und Maschine noch beweisen. Oder ist das vermeintliche Abenteuer am Ende reine Suggestion, ausgelöst durch ’ne Handvoll Designspielereien?
Der Verdacht kommt nicht von ungefähr. Da ist zum Beispiel Yamahas SCR 950. SCR was? Das Wort „Scrambler“ spricht oder schreibt im Hause Yamaha niemand aus. Das lässt tief blicken. Gemessen am typischen Anforderungsprofil des Konzepts fehlt es der Yamaha mindestens an Federweg, an einem hohen Auspuff und an einem Motorschutz. Nur in Sachen Gewicht, da fehlt es dem Pummel an gar nichts. Kein Wunder, stammt die technische Basis doch aus der Chopper-Cruiser-Ecke. Statt auf eine potenziell fahraktivere Plattform aus dem Reigen der erfolgreichen MT-Modelle zurückzugreifen, schnappten sich die Ingenieure die XV 950. In der blubbert ein milder V-Twin, Geometrieeckdaten, Gewicht und Optik sprechen ebenfalls für sich: ein Lenkkopfwinkel wie aus Easy Rider, ein Niederflur-Ofenrohrauspuff und eben 256 Kilo vollgetankt – so viel wie eine 12er-BMW GS. Das dämpft Erwartungen.
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