Nagel im Kopf
Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch, ob wir wollen oder nicht“, sagt Livia Cevolini, CEO der Elektrokradmanufaktur Energica. Will ich das? Nach einem Tag Energica Eva Esse Esse 9 und ein paar mit BMWs C evolution bin ich immer noch unentschieden. Das Zeug geht nicht nur vorwärts wie blöd, im Falle der Esse Esse sieht es auch aus wie ein Motorrad und noch dazu unverschämt gut. Sind Gestank und Lärm nicht nur begleitende Unvollkommenheiten veralteter Technologie – wenn auch liebgewonnene?
Es kann erhebend sein, reine Luft und andächtige Stille nicht mit unverbrannten Kohlenwasserstoffen und penetrantem Vierzylinderkreischen zu entweihen, Anwohnern mal nicht auf den Keks zu gehen. Unser aller Motorradsozialisation war dem Lärm geweiht. Und so tat sie auch mir aufs Neue weh, die Stille. Doch irgendwann in den noch verschneiten Ausläufern des nördlichen Apennins, spätestens aber im erwachenden Frühling inmitten des Odenwalds schlich sie sich allmählich in mein Bewusstsein: die Erkenntnis, dass all das, was wir vermissen, nur unserer Nostalgie geschuldet ist, die mit uns zusammen irgendwann verschwinden wird. Ein gewisses Hochgefühl machte sich breit: darüber, weniger egozentrisch, weniger aufdringlich zu handeln – beinah schlug es in leichte Überheblichkeit um.
Damit aber ist’s rasch vorbei, wenn’s um Reichweite geht. Pendleralltag planen? Okay. Genusstouren aber vermiest diese verflixte Reichweitenplanung. Spontanität sowieso – und das von Anfang an. Gibt es Ladestationen auf dem Weg? Sind die frei? Haben sie ausreichend Anschlüsse für mittourende Kumpel? Haben wir andernfalls Zugriff auf Haushaltssteckdosen? Und gibt’s am Ort der Zwangspause wenigstens Kaffee? Diese Fragen sind für mich der Nagel im Kopf. Neben Fragen wie: Ist Strom aus Akkumulatoren wirklich der Königsweg zur Mobilität der Zukunft? Oder: Wer soll die Unmengen von Akku-Rohstoffen eigentlich künftig aus dem Boden kratzen?
Im Rahmen einer Studie hat das Stockholmer Umweltforschungsinstitut IVL errechnet, dass allein die Produktion eines Akkus für den Tesla S so viel CO2 in die Welt bläst wie ein Diesel- oder Benzinauto auf 200 000 Kilometern. Es bleiben also Fragen. Ganz im Gegensatz zu uns und unserer Nostalgie.
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Guido Kupper, Chefredakteur