Plädoyer für die Unvernunft
Die Welt, all unser Handeln ist von Vernunft geprägt. Meinen wir. Doch hat nicht jeder von uns seine eigene Vernunft? Und ist die von gestern auch noch die von heute? Acht Stunden am Tag im Büro und im Anschluss noch ein paar daheim vor einem Computer zu verbringen, wäre uns Anfang der 90er noch ziemlich bescheuert erschienen. Vielen von uns geht das heute noch so.
Bescheuert zu sein kann aber auch angenehme Seiten haben. Schwitzend in der Sauna zu sitzen zum Beispiel, um sich im Anschluss im Schnee zu wälzen und dann durch die dünne Eisschicht ins Tauchbecken einzubrechen. Wie beknackt.
Oder unter Einfluss bewusstseinsverändernder Substanzen und lauter Musik eine Nacht durchzutanzen, um den nächsten Tag mit dickem Kopf im Bett zu verbringen. Motorräder im Keller zu horten, die man doch nie fährt. Sein eigenes Custombike zu bauen, um sich dann wochenlang mit dem TÜV herumzuplagen. Nackt durch einen Sommerregen zu rennen. Oder so lange Wheelies zu üben, bis es nach diversen Schrammen an Leib und Krad endlich klappt. Oder eben – die Jungs von 4h10.com (siehe Seite 038) machen es uns vor – im Gentleman-Outfit mit völlig ungeeigneten Youngtimern auf stollenfreien Straßenreifen durchs Unterholz zu brechen, bis man sich bis zur Achse im Schlamm eingegraben hat.
Bescheuert? Oh ja. Und so wunderbar erfüllend, manchmal regelrecht befreiend. Ja, man kann Dinge einfach nur um ihrer selbst willen tun – auch Spaß haben. Im effizienten, von protestantischer Arbeitsethik und preußischer Disziplin geprägten Deutschland mag das ein Sakrileg sein. Auf dem Weg zu Lebensfreude aber ist es mehr als ein Placebo. Oft ist es erst die Unvernunft, die uns die kindliche Freude am Leben wieder spüren lässt, das Lächeln auf unser Gesicht zurückzaubert, egal, was uns all die Bedenkenträger, Zweifler und Besserwisser weismachen wollen – erst recht, wenn sie auf unserer eigenen Schulter sitzen.
„Lass uns vernünftig sein!“ ist mehr als die Aufforderung zur Mäßigung. Es ist die Aufforderung, auf Freude zu verzichten. Vernünftig sein? Ganz sicher nicht!
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Guido Kupper, Chefredakteur